Das Training zum Begleithund ist vielseitig. Schließlich besteht die Begleithundeprüfung aus zahlreichen einzelnen Übungen. Im fünften Teil der Serie Vom Welpen zum Begleithund zeigen wir dir, wie Wollie den Vorsitz lernt.
Den ähm… was bitte? Vorsitz ist Hundesportsprech für “Hund sitzt gerade vor dem Menschen und guckt ihn an”. Keine Raketenwissenschaft also. Oder? Mit einem pubertierenden Junghund vielleicht doch?
Begleithund to be – Pubertät?
Wollie ist mittlerweile neun Monate alt. Wisst ihr noch, wie wir in Teil zwei prophezeiten, dass sie durch die Pubertät zu einem frechen Rotzlöffel mutieren würde? Zu unserem eigenen Erstaunen ist sie bislang ein ziemlich braver Teenager.
Natürlich testet sie manchmal ihre Grenzen oder weiß nicht, wohin mit all ihrer Energie. Dann bellt sie einen auffordernd an oder oder springt wie ein Känguru um einen herum. Da kommt uns ihre “Grundschule” entgegen. Da sie Kommandos mit viel Freude beim Lernen verknüpft hat, lassen sich solche pubertären Pöbeleien in ein Alternativverhalten umlenken.

Alternativverhalten statt pubertäres Rüpeln
Damit du dir besser vorstellen kannst, wie ich das meine, erzähle ich dir von einem Spaziergang vor einigen Tagen.
Wir bummelten über eine leere Wiese. Wollie lief ohne Leine. Nachdem sie alle nötigen Geschäfte verrichtet hatte, schnüffelte sie ausgiebig den Spuren anderer Hunde – oder wem auch immer – nach. Nach zehn Minuten wurde ihr das aber zu langweilig. Und zwar ganz entschieden zu langweilig!
Also kam sie angeflitzt. Statt vor einem zu bremsen, sprang sie mich an und fing an, mich aus Leibeskräften zu verbellen. Jetzt hätte man versuchen können, mit Geschimpfe dagegenzuhalten. Aber erstens ist so ein bellender Hund echt laut. Und zweitens gibt es, auch in Hundeaugen, kaum etwas Unsouveräneres, als einen entnervt herumschreienden Menschen.
Stattdessen bekam sie das Hörzeichen zum Hinlegen. Und ließ sich auf die Wiese plumpsen. Mit Freude gelernt ist eben mit Freude gelernt! Die ganze angestaute Energie und der jugendliche Wahnsinn konnten so in etwas weit weniger Nerviges umgelenkt werden. In ein Alternativverhalten.

Damit Wollie nach dem Aufstehen nicht fröhlich weiter herumpöbelte, ließ ich sie einfach neben mir hergehen und belohnte den Blickkontakt. Als das “Pubertier” in ihr zur Ruhe gekommen war, bekam sie die Freigabe. Und wir setzten unseren Bummelspaziergang ganz gesittet fort.
Übrigens: hätte sie dann doch noch einmal angefangen, herumzuzetern, hätte ich sie anschließend an die Leine genommen. Es soll ja keine ritualisierte Handlungskette werden. Pöbeln – Alternativverhalten – bisschen brav sein fürs Protokoll – weiter pöbeln – dann lieber Leine stattdessen!
Und beim Hundesport?
Auch auf dem Hundeplatz überkommt Wollie manchmal das Pubertier. Statt nach erfolgreich unterbrochenem Pöbeln Gassi zu gehen, leiten wir ihre Energie ins Training um. Also: Fußlaufen, Sitz und Platz als Alternative zum Rempeln.

“Hieeer!” – Ablegen in Verbindung mit Herankommen
Sitz und Platz sind Wollie mittlerweile ein Begriff. Das Fußlaufen nimmt ebenfalls Form an. Die Futterhand wird langsam abgebaut und durch Blickkontakt ersetzt. Dazu berichten wir dir in der nächsten Folge mehr.
Der Vorsitz
Zeit also für einen weiteren Baustein der Begleithundeprüfung: das Ablegen in Verbindung mit Herankommen. Elementar dazu ist der so genannte Vorsitz.
Die Prüfungsordnung (Stand 2012) definiert diese Übung so:
Ablegen in Verbindung mit Herankommen
Auf Anweisung des Leistungsrichters ruft der Hundeführer seinen Hund heran. Freudig und in schneller Gangart hat sich der Hund seinem Hundeführer zu nähern und sich dicht vor ihn zu setzen.
Für das Heranrufen wird üblicherweise das Hörzeichen Hier verwendet. Damit die Bedeutung für Wollie klar ist, benutzen wir Hier in keiner anderen Situation. Sondern wirklich nur dann, wenn der Vorsitz gezeigt werden soll.
Wieso wir so sehr darauf achten, Hundesport-Hörzeichen nicht im Alltag zu verwenden, haben wir in diesem Artikel erklärt: Die besten Trainingstipps für Hundesport und Alltag. Wenn du es deinem Hund leicht machen möchtest, zu verstehen, was du von ihm möchtest, dann ist eine Trennung von Hundesport- und Alltagskommandos sinnvoll.
Vier Einzelschritte: so haben wir begonnen zu üben
Wie bei allem Neuen, versuchen wir die Übung für den Hund in kleine Einzelteile zu zerlegen. So wird sie für ihn leichter verständlich und Fehlerquellen werden möglichst gering gehalten.
Unsere Bausteine für den Vorsitz:
- Erlernen der Position mit Begrenzung
- Entfernung zwischen Hund und Hundeführer erhöhen
- Begrenzung abbauen
- Aufbau von Geschwindigkeit beim Herankommen
Wollie hat gerade erst mit dieser Übung begonnen. Sie steht also noch bei Schritt eins und wird äußerlich begrenzt. Wir nutzen dafür stabile, schwere Pylonen. Es gibt jedoch viele weitere Möglichkeiten. Beliebt ist auch die so genannte Technikbox. Das ist eine zu einer Seite hin offene Kiste, mit deren Hilfe der Hund lernt, eine Postion von Anfang an korrekt zu halten. Für Zuhause kannst du auch zwei Stühle, zwei Wäschekörbe oder Getränkekisten nutzen.

Der erste Schritt zum Vorsitz
Die beiden Pylonen werden in einem Abstand von ca 30 Zentimetern aufgestellt. Wenn du einen großen Hund hast, erhöhe diesen Abstand. Ist dein Hund kleiner, verringere ihn. Wichtig ist, dass er sich problemlos zwischen den beiden Dingern hinsetzen kann. Aber nicht genügend Raum hat, um sich schief zu platzieren.
Anschließend wird Wollie in einem Meter Abstand mittig und gerade vor den Pylonen abgelegt. Der Hund sollte da bereits gelernt haben, Platz auch dann zu halten, wenn sein Mensch sich entfernt. Der stellt sich hinter die Pylonen, ebenfalls mittig.
Hat in beiden Händen Futter, lockt damit den Hund zu sich und zieht die Hände so nach oben, dass der Hund nicht ans Futter gelangt, ohne sich danach zu strecken. Wenn die Nase hoch geht Richtung Leckerchen – dann geht das Hinterteil zwangsläufig nach unten und der Hund sitzt vor dem Hundeführer.
Richtig belohnen
Dass die Leckerchen in beiden Händen gehalten werden, ist wichtig! Nur so kann man abwechselnd mit der linken und der rechten Hand füttern um zu vermeiden, dass man den Hund schief zieht. Füttert man stets nur aus einer Hand, kann es passieren, dass der Hund diese beim Herankommen ansteuert und sich schräg hinsetzt. Beim Füttern kann man bereits das Hörzeichen Hier einbauen.
Auch das Futterspucken ist eine Möglichkeit, zu belohnen. Zumindest, wenn der Hund fliegende Leckerchen fangen kann und nicht erstmal seine Position auflöst, um den Boden nach verpasstem Futter abzusuchen.

Entfernung zwischen Hund und Hundeführer erhöhen
Steuert einen der Hund auf das Hörzeichen Hier aus einem Meter Entfernung an und setzt sich sicher gerade vor einen, kann man sich weiter entfernen. Auch hier gilt die Politik der kleinen Schritte. Lieber von einem Meter Entfernung auf zwei, drei und fünf steigern. Statt direkt auf 30 Meter, wie in der Begleithundeprüfung vorgegeben.
Ziele für die nächsten Wochen
Wollie wird in den nächsten Wochen weiter am Vorsitz arbeiten. Wir werden die Entfernung stückweise erhöhen. Die Pylonen als Begrenzung bleiben vorerst jedoch bestehen.
In der nächsten Folge unserer Serie Vom Welpen zum Begleithund wird es ums Fußlaufen und den Abbau vom Futter gehen – das ist schließlich die Basis für alles Weitere der Begleithundeprüfung.
Im nächsten Teil der Serie erfährst du, wieso Wollie nicht bereits mit 15 Monaten die Begleithundeprüfung ablegen wird und wieso wir das so wichtig finden.